Cover des gedruckten Buches Schuttzug vor dem Schloss, vorbei am Staatstheater (Hintergrund) in Richtung Bismarckstraße-Rheinhafen, Stadtarchiv Karlsruhe 8/Alben 5 Bd.7, S. 834
   

3. Auswertung und Dokumentation

3.9

Anhang – Sparkasse Karlsruhe: Vor 50 Jahren

 

Auf die Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigten einer Bank in der Endphase der NS-Diktatur wirft ein Bericht des damaligen Sparkassenleiters, Herr Direktor Franz Zoller, erhellendes Licht. Seine Schilderungen betreffen Ereignisse aus der Zeit vom September 1944 bis Mai l945. Er beschreibt, wie unerschrockene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter heute unvorstellbaren Mühen das Sparkassengebäude vor dem Untergang bewahrten und den Dienst am Kunden aufrecht erhielten.

Der Bericht beginnt mit der Schilderung eines schweren Fliegerangriffs: „Am frühen Morgen des 27. Septembers 1944 griffen in der Zeit von 4.45 bis 5 Uhr Bomberverbände die Stadt an. Dieser Angriff hatte im ganzen Stadtgebiet, vor allem aber in der Mittelstadt ausgedehnte Brände zur Folge. Sehr viele öffentliche Gebäude und Wohnhäuser der Stadt fielen den Bomben zum Opfer: Das Rathaus, die evangelische Stadtkirche, der Handelshof und der ganze Häuserblock Marktplatz – Zähringerstraße – Lammstraße – Kaiserstraße.

Dank dem tatkräftigen Einsatz von 12 weiblichen und 30 männlichen Mitarbeitern ist es nach 40 Stunden gelungen, das Hauptgebäude Ecke Marktplatz und Zähringerstraße zu retten. Durch sofortiges Eingreifen gelang es, drei der auf dem Speicherboden eingeschlagenen Brandbomben kurz nach ihrer Explosion zu löschen. Eine vierte Brandbombe war in die Holzverschachtelung zwischen Speicher und der Decke des 4. Stocks eingedrungen. Alle Versuche, diesen Brandherd abzutöten, mißlangen. Um 18.30 Uhr entwickelte sich an dieser Stelle ein ausgedehnter Dachstuhlbrand. – Mit Hilfe der Feuerwehr konnte er schließlich doch noch lokalisiert werden.

Trotz der schweren Schäden konnte der Geschäftsbetrieb schon am Nachmittag des 28. September fast in vollem Umfange wieder aufgenommen werden. Und dies, obwohl ein großer Teil der Belegschaft Schäden am eigenen Hab und Gut erlitten und ein anderer Teil zur Brandbekämpfung und zu Aufräumungsarbeiten eingesetzt werden mußte.

Zu beklagen ist der Tod eines Mitarbeiters, der zufällig in Urlaub hier war und mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen getötet wurde. Zahlreiche übrige Mitarbeiter sind total oder schwer geschädigt.

Es ist aber auch mit Stolz darauf zu verweisen, daß es durch die vorbildliche Einsatzbereitschaft der Mitarbeiter gelungen war, die Sparkasse als eines der wenigen öffentlichen Gebäude in der Stadtmitte zu erhalten.“

 

Abbildung 11


Doch die alliierten Bombenangriffe gehen weiter. Im Oktober erfolgen zwei, im November drei Angriffe, die aber für die Sparkasse insgesamt glimpflich verlaufen.Während auch die Schäden eines Fliegerangriffs am 1. Dezember im Rahmen bleiben, steigert sich das Inferno am 4. Dezember 1944 zu einem neuen Höhepunkt. Alle Fenster auf der Marktplatzseite und zum Teil auch die übrigen Fenster und Türen sowie Teile des Daches des Sparkassengebäudes, einem Weinbrenner-Bau, werden beschädigt.

Die Auswirkungen auf die Geschäftsabwicklung sind katastrophal. „Hauptsächlich war dies auf das lange Ausbleiben der elektrischen Stromzufuhr und auf den Ausfall eines großen Teiles der Mitarbeiter zurückzuführen. Aber auch wegen der tagsüber immer stärker auftretenden Störungen durch Fliegeralarme konnten nur noch die dringlichsten Geschäfte, die schon am 5. Dezember um 10 Uhr vormittags bei Kerzen- und Petroleumlicht aufgenommen wurden, erledigt werden“.

Zur gleichen Zeit wird der Mangel an Heizmaterial drastisch spürbar. Der Oberbürgermeister ordnet daher an, „daß Arbeitsräume (Büros usw.) nur noch bis 18 Grad Celsius erwärmt werden dürfen. Büros, die in überheiztem Zustand angetroffen werden, erhalten für die Dauer der nächsten drei Tage überhaupt kein Heizmaterial mehr“.

Direktor Zoller berichtet weiter: „Am 1. Januar 1945 setzte sich das Personal der Sparkasse zusammen aus 96 Beamten, 188 Angestellten, 19 Lehrlingen, 2 Arbeitern, insgesamt (ohne Putzfrauen) aus 305 Personen. Davon waren 90 zum Kriegsdienst eingezogen, 29 für fremde Stellen dienstverpflichtet, 25 krank, so daß tatsächlich nur 161 beschäftigt waren, und zwar 46 männliche und 115 weibliche Personen.

Unter normalen Verhältnissen wäre dieser Personalstand nicht mehr ausreichend gewesen, zumal sich hierunter größtenteils nur oberflächlich angelernte Aushilfskräfte befanden. Bei der Kriegslage mußten wir uns jedoch damit begnügen und versuchen, den dringendsten Anforderungen zur Aufrechterhaltung des Betriebes gerecht zu werden. Das war nicht leicht. Karlsruhe stand in jenen Tagen ganz unter dem Eindruck des schweren Luftangriffes vom 4. Dezember 1944. Ein großer Teil der Bevölkerung verließ fluchtartig die Stadt. Die Einwohnerzahl sank in wenigen Wochen auf etwa 20000. Die Abwanderung der Kundschaft brachte uns aber keine Geschäftserleichterung. Vielmehr eine große Erschwerung. Denn zur Aufrechterhaltung der Verbindung stand meistens nur noch der schlechtfunktionierende Postweg zur Verfügung. Dazu kam, daß sich unseres weiblichen Personals eine große Unruhe und Nervosität bemächtigte, die ihren Ausdruck vielfach in dem Streben nach Beurlaubung oder Aufhebung des Dienstverhältnisses fanden.

Ich konnte dieser Fluchtpsychose nur unter größter Anstrengung und nur dadurch Herr werden, daß ich selbst von morgens früh bis abends spät auf meinem Platz in der Sparkasse war und überall da einsprang, wo der Betrieb zusammenzubrechen drohte. Und das, obwohl ich zweimal fliegergeschädigt war und infolge starker Beschädigung meines Hauses im Keller wohnte.

Daß in dieser Situation, die fast täglich durch mehrere Fliegeralarme – an einzelnen Tagen bis zu fünf – und schließlich ab 21. März durch Artilleriefeuer bis hart an die Grenze des Erträglichen erschwert wurde, ein intensives und zuverlässiges Arbeiten nicht mehr verlangt werden konnte, bedarf wohl keiner besonderen Betonung.

In jenen Tagen war nicht nur Hab und Gut, sondern auch die persönliche Sicherheit jedes Einzelnen der völligen Willkür der Besatzungstruppen ausgesetzt. Deshalb muß man den Mut und das Pflichtgefühl bewundern, mit dem ein Teil der Belegschaft sich dem Geschäftsleiter schon vom ersten Tag der Besetzung an zur Verfügung stellte. Die Mitarbeiter ließen es sich nicht nehmen, die Sparkassenräume, die von französischen Truppen in den Tagen vom 4. bis 8. April 1945 besetzt und am 9. April in einem unbeschreiblichen Zustand verlassen worden waren, schon vom 10. April ab zu reinigen. Und besonders auch die aus ihren Behältnissen herausgeworfenen und in alle Winde zerstreuten Buchungsunterlagen der letzten März- und ersten Apriltage wieder zu sammeln und zu ordnen.

Luftangriffe und Beschießung hatten nun aufgehört. Dafür kamen Belastungen, Sorgen und Erschwernisse anderer Art. Abgesehen davon, daß uns bei der Besetzung Anfangs April nicht weniger als 23 Schreibmaschinen weggenommen wurden, waren es in erster Linie die Militärregierungsgesetze, deren Durchführung der Sparkasse mit ihren 225000 Konten nicht nur eine ganz enorme Arbeitslast, sondern auch eine gewaltige Verantwortung auferlegte. Das beim Zusammenbruch noch vorhanden gewesene Fachpersonal wurde im Zuge der Denazifizierung der Geldinstitute außerordentlich stark gelichtet.“

Was es hieß, den Betrieb in dieser Zeit über Wasser zu halten, machen die folgenden Ausführungen deutlich: „Anfänglich – erstmals am 6. Mai 1945 – zu Fuß und später mit Hilfe eines alten Fahrrads besuchte ich an 2 bis 3 Sonntagen des Monats bis ins Jahr 1946 hinein die im Landkreis liegenden Zweigstellen, um sie mit den nötigen Anweisungen und Belehrungen zu versehen und ihnen Gelegenheit zur Besprechung aller dienstlichen Fragen zu geben.

Ebenso große Sorgen bereitete aber auch die Hauptanstalt. Jeder Tag brachte neue Schwierigkeiten. Die Zahl der Bewerber um die freigewordenen Stellen war zwar nicht klein, aber viel geeignete Kräfte waren nicht darunter. Außer zwei aus ihrer Heimat vertriebenen Sparkassenleitern, drei ehemaligen Sparkassenangestellten und einigen wenigen bankmäßig Vorgebildeten mußten wir uns mit Anfängern begnügen.

Die Schwierigkeiten lagen aber nicht nur auf personellem, sondern fast ebenso sehr auch auf räumlichem Gebiet. Die Gasheizung funktionierte seit September 1944 nicht mehr. Nur mit unbeschreiblicher Mühe gelang es uns in den ersten Monaten des Winters 1944/45, etwa 25 Kohleöfen mit den dazugehörigen Ofenrohren und einigem Heizmaterial zu beschaffen. So konnte bei Eintritt der Kälte und notdürftig verwahrten Fenstern doch einigermaßen geheizt werden.

Ganz abgesehen von dem auf die Dauer unerträglichen Mißstand, daß ein großer Teil unseres Personals gezwungen ist, ständig bei Licht und in ungenügend lüftbaren Räumen zu arbeiten, waren durch diese beträchtlichen Einschränkungen unerwünschte Verzögerungen in der Kundenbedienung unvermeidlich.“

Sechs Monate nach Kriegsende sind immer noch 46 Mitarbeiter in Gefangenschaft oder zu Aufräumarbeiten abgeordnet. 45 Mitarbeiter mußten aus politischen Gründen auf Anordnung der Militärregierung entlassen werden. 21 Mitarbeiter sind im Laufe des Krieges gefallen bzw. an ihren Verletzungen gestorben oder Opfer von Luftangriffen geworden. Von ursprünglich 335 Mitarbeitern waren am 28.11.1945 nur noch 178 beschäftigt.

 
Logo des Arbeitskreises Landeskunde/Landesgeschichte Karlsruhe

Kriegsende 1945 | Zeitzeugen der Karlsruher Region erzählen | Letzte Änderung: 30. März 1997
Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte Karlsruhe | Zur Startseite